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GASTBEITRAG: Autos und das Leib-Seele-Problem

Stellen Sie sich vor, Sie haben ein Auto vor sich. Neben Ihnen steht ein Ingenieur, der dieses Auto für Sie beschreibt. Er redet von Kilowatt, von Hubraum, von Radstand und vielen anderen technischen Details.


Nun kommt ein Designer hinzu und erklärt Ihnen die wunderschöne Linienführung, das fließende Heck und die grazilen Kotflügel sowie die einzigartige Farbgebung.

Sie haben nun zwei ganz unterschiedliche Beschreibungen ein und desselben Autos.


Plötzlich mischt sich ein Philosoph ein und will Ihnen erklären, dass zwischen der technischen Beschreibung und dem Design ein Dualismus bestehe und dass man sogar die Frage stellen müsse, wie das eine das andere determiniert. Immer mehr Philosophen treten hinzu und wollen Sie von ihren Interpretationen überzeugen, die die Beziehung zwischen Technik und Design des Autos zum Inhalt haben. Die einen sagen, Technik und Design seien identisch, die anderen sagen, es gäbe gar kein Design, die nächsten behaupten, irgendwo im Motorraum hielte sich ein kosmisches Design auf und noch andere meinen, Technik und Design wären immer parallel zu betrachten.


Sie sind verwirrt und schauen zuerst den Techniker, dann den Designer an. Es sind zwei Personen, die dieses Auto einfach nur aus zwei ganz unterschiedlichen Gesichtspunkten mit ihrer jeweiligen Fachsprache beschrieben haben. Die Frage also, wie aus der Technik das Design hervorgehen kann, ist völliger Unfug.


Nun übertragen Sie dieses Szenario auf das menschliche Gehirn und ersetzen Technik und Design durch Körper und Geist. Und plötzlich kommt Ihnen das Leib-Seele Problem vor wie ein einziges absurdes Theater, in dem die Darsteller den Bezug zur Realität völlig verloren haben. Sie erkennen, dass das Leib-Seele Problem gar nicht existiert, sondern ein rein sprachliches ist, eine Sprachverwirrung, die die Bezeichnung mit dem Bezeichneten verwechselt, die Beschreibung der Realität mit der Realität selbst.


Geben Sie einem Kind ein Stück Holz und sagen Sie ihm, es sei ein Flugzeug. Es wird damit spielen, aber im Grunde weiß es, dass es nur ein Stück Holz ist. Eine ähnliche Erkenntnis fehlt den zitierten Philosophen leider. Aber seien Sie beruhigt, es gibt ein paar Philosophen, die das als Scheinproblem erkennen.



Während es beim Auto eindeutig ist, grübeln Sie beim Gehirn aber doch noch darüber, wie überhaupt Gedanken entstehen können und warum wir etwas empfinden.

Betrachten Sie den Planeten Erde einmal aus der Sicht eines Raumschiffes im Zeitraffer. Da sehen Sie dann zuerst einzellige Wesen, die auf der Erde herumkriechen und sich anhand der chemischen Verhältnisse orientieren. Daraus entwickeln sich immer komplexere Wesen, die mit der Zeit Nerven bilden, mit denen sich die Wesen dort unten hoch differenziert bewegen und Probleme lösen können. Man könnte auch sagen, in ihren Gehirnen konzentriert sich eine große Menge an Information, was man an den unfassbar vielen Nerven sehen kann. Im Gehirn sitzt also diese Orientierungszentrale, weil dort die Informationsdichte am höchsten ist.


Kriechen wir nun in ein solches Individuum hinein, merken wir, dass es durch die ungeheuer vielen Sensoren gereizt wird und dies zusammengenommen das erzeugt, was man Empfindungen nennen kann, die sich zu ganzen Gefühlsszenarien verschachteln.


Diese subjektive Sicht ist allerdings eine ganz andere als die Sicht von außen. Beides muss man natürlich auseinanderhalten. Die Frage, wie Denken und Empfinden entsteht ist also eine andere, als die Frage, wie Körper und Geist zusammenhängen. Beide lassen sich auf diese Weise ohne jede Metaphysik beantworten.


Lassen Sie sich also nie wieder Geschichten erzählen zum Leib-Seele Problem, zum schweren Problem des Bewusstseins oder zu der Frage, wie aus Materie Gedanken entstehen.



Herr Dr. Wolfgang Stegemann hat Philosophie, Psychologie und Pädagogik studiert. Zudem war er viele Jahre mit einem eigenen Institut im Bereich der Erwachsenenbildung tätig. Seit 2018 widmet er sich erneut intensiv wissenschaftlichen Themen mit den Schwerpunkten Theorie des Placeboeffekts, Bewusstseins-, System- und Evolutionstheorie.





1 Kommentar

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1 Comment


Jens Jürgen Korff
Jens Jürgen Korff
Dec 14, 2023

Der Vergleich mit Technik und Design eines Autos ist in der Tat inspirierend. Vermutlich hat der Philosoph Recht, der gesagt hat, man muss beide Aspekte parallel betrachten.

Dabei gibt es Wechselwirkungen: z. B. muss das Design die Geschwindigkeit ausgleichen, mit der das Auto fahren kann, also eine technische Eigenschaft: Es sorgt für Bodenhaftung, für einen geringeren Luftwiderstand, damit für geringeren Benzinverbrauch. Die Proportion des Motorraums spiegelt die Größe des Motors wider, also indirekt seinen Hubraum, seine Leistung...

Gibt es ähnliche Bezüge zwischen Körper und Geist? Durchaus - z. B. entsteht die Eleganz der Bewegungen des Körpers durch das geistige Erlernen von Bewegungsabläufen. Schon dass der Körper laufen kann, ist nur dank einer geistigen Leistung des Kindes möglich: Es beobachtet, wie…

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