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Gott – Wer bist Du?

Aktualisiert: 22. Okt. 2023

Was würde Gott – wenn er es denn nötig hätte – in seinen Lebenslauf schreiben? Welche Eigenschaften seiner Persönlichkeit würde er hervorheben, welches Foto von sich beilegen? Dem Schwarzen Peter ist bewusst, dass er sich mit diesen absurden Fragen an der Grenze zur Blasphemie bewegt.


Dabei geht es unserem Philosophen nicht um eine exakte Beschreibung Gottes. Ein solches Vorhaben wäre aufgrund menschlicher Begrenztheit aussichtslos. Vielversprechender findet er die Frage, welche Vorstellung Menschen von Gott haben.


Ein ambitioniertes Vorhaben, an dem größere Geister als unser Philosoph gescheitert sind. Zumal alle ernstzunehmenden religionswissenschaftlichen Werke hunderte Seiten umfassen. Bei einem Blogbeitrag liegt die Würze aber in der Kürze. Um sich nicht zu verzetteln, konzentriert er sich auf zwei oder drei Eigenschaften Gottes, die zu philosophischen Problemen führen.



Der alleinige Gott


Im Gegensatz zur Götterschar der alten Griechen mit Zeus als mächtigem, aber nicht allmächtigem Oberhaupt, gehen Judentum, Islam, Christentum von nur einer Gottheit aus.


„Die Überzeugung, dass Gott an Macht und Weisheit alles Geschaffene überragt, zählt zum Kernbestand aller theistischen Religionen.“ (Armin Kreiner)

Allerdings wird Jahwe in den frühen Schichten des Alten Testaments noch anderen Göttern gegenübergestellt: „Wer ist Dir gleich unter den Göttern?“ (Ex 15, 11) oder „Jahwe ist größer als alle Götter“ (Ex 18, 11).


Nachdem das Königreich Juda im 6. Jahrhundert v. Chr. zerstört und das Volk im babylonischen Exil angelangt war, fragten sich die Menschen ernüchtert, ob es nicht mächtigere Götter als Jahwe gibt. Dieses Trauma weckte die Sehnsucht nach einem uneingeschränkt mächtigen Gott…idealerweise einen, der die eigenen Interessen vertritt. Denn:


„Wie könnte man auf einen Gott bauen, der sich die Macht teilen muss, der selbst nur ein Faktor unter anderen und somit einem übergeordneten Zusammen unterworfen ist?“ (Josef Schmidt)

Nur ein alleiniger Gott kann Adressat des letzten und vollen Vertrauens sein. Josef Schmidt schreibt folgerichtig: „Am Glauben festhalten heißt, an diesen Gott zu glauben.“ Er hat das letzte und entscheidende Wort. Nichts passiert gegen seinen Willen.



Eigenschaften Gottes


Wenn Gottes Wille unanfechtbar ist, muss er über Eigenschaften verfügen, die jedes weltliche Maß übersteigen. Aus dem Ärmel geschüttelt, fallen dem Schwarzen Peter drei ein: Allmacht, Allwissenheit und Allgüte. Es gibt aber mehr. Ein Blick in Winfried Löfflers „Einführung in die Religionsphilosophie“ bringt Licht ins Erinnerungs-Dunkel. Demzufolge ist Gott außerweltlich, unbegrenzt, omnipräsent, nicht körperlich, ewig, einfach (unteilbar) und unveränderlich.


Warum unveränderlich? Weil Gott, so man an ihn glaubt und/oder logisch argumentiert, als vollkommenes Wesen gedacht werden muss. Jede Veränderung würde zwangsläufig eine Verschlechterung bedeuten.



Grenzen der Allmacht


Wenn Gott allmächtig ist, gelten für ihn weder Naturgesetzte noch mathematische Wahrheiten. Er kann sie nach Belieben außer Kraft setzen… oder nicht? Winfried Löffler verweist auf folgenden Umstand:


„Dass die spontane Vorstellung vom allmächtigen Gott auch bestimmte logische und sachliche Grenzen haben muss, ist seit langem bekannt.“

So kann ein allmächtiger Gott weder die Vergangenheit ändern noch logisch widersprüchliche Sachverhalte herbeiführen. Es wäre ihm beispielsweise unmöglich, ein Dreieck mit parallelen Seiten zu kreieren.


Das bekannteste Paradoxon, an das sich der Schwarze Peter aus Studienzeiten erinnert:


Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist,

dass er ihn selbst nicht mehr heben kann?


Egal, wie die Antwort lautet… seine Allmacht ist gebrochen. Jedenfalls, wenn man unterstellt, dass für ihn die Gesetze der Logik gelten. Ein tröstlicher Gedanke für den Schwarzen Peter… immerhin hat er sich zwei Semester lang durch das ungeliebte Fach Logik gequält. Deshalb findet er folgenden Ansatz faszinierend: Wenn Gott der Grund von allem ist, hat er die Gesetze der Logik geschaffen… und könnte diese für seine Belange außer Kraft setzen.


Etwas moderater: Thomas von Aquin (1225-1274) glaubt, dass es für die Allmacht nicht nötig ist, logisch Unmögliches zu vollbringen. Demnach kann ein allmächtiges Wesen alles tun, solange es nach menschlichem Ermessen widerspruchsfrei denkbar ist.


Wie dem sei, es gibt keine befriedigende Antwort. Aber das Paradoxon bietet einen guten Anlass für weinselige religionsphilosophische Debatten.




Welch ein Schlamassel


Das Gottesbild hat durch das beschriebene Paradoxon Kratzer bekommen. Die Theodizee fügt diesem Bild tiefere Schrammen hinzu. Warum? Weil es zeigt, dass die monotheistischen Gottesattribute Allmacht, Allwissen und Allgüte nicht miteinander vereinbar sind.


1. Wenn Gott von den Übeln keine Kenntnis hat, ist er nicht allwissend.

2. Wenn er nichts daran ändern kann, fehlt ihm die Allmacht

3. Sollte er an diesen Zuständen nichts ändern wollen, mangelt es ihm an Güte.


Zwei von drei Zuschreibungen sind jeweils miteinander kompatibel. Erst durch das Hinzufügen einer dritten entstehen Aporien, die auch Gläubige in Sinnkrisen stürzen.


Der Begriff Theodizee setzt sich aus den griechischen Wörtern θεός, theós (Gott) und δίκη, díkae (Gerechtigkeit) zusammen. Theodizee bedeutet demnach „Rechtfertigung Gottes“ gegenüber den Einwänden, die Atheisten angesichts der unzähligen Übel in der Welt gegen den Glauben an Gott erheben (Walter Brugger). Präziser gesagt, im theologischen und philosophischen Diskurs ist damit das Problem der Rechtfertigung Gottes in einer von ihm abhängigen Welt voller Leid, Elend und Unglück gemeint.


„Der […] vernünftig denkende Mensch, der sein konkretes Schicksal auf die Vorhersehung Gottes zurückführt, erfährt die Unvollkommenheit der Welt, das metaphysische Übel der Endlichkeit, das physikalische Übel des Leidens und das moralische Übel der Sünde, und er fragt – als freier Denker – nach der Rechtfertigung des Allmächtigen, der dies trotz seiner unendlichen Güte und Weisheit geschehen läßt.“ (Leibnitz).

Zwingen die Erfahrungen von sinnlosem Leid und Übel zum Verzicht auf das Allmachtsprädikat Gottes? Es gibt Erklärungsversuche, das Theodizee-Problem mit der Allmacht Gottes in Einklang zu bringen:


1. Gott hat die Menschen als freie Handlungssubjekte, d. h. Wesen mit einem freien Willen erschaffen (free-will-defence). Die von Gott geschaffene Welt mit nicht determinierten Menschen ist eine selbständige, zu der notwendigerweise Übel gehören. Wenngleich nicht explizit erwähnt, wird unterstellt, dass es Gott unmöglich ist, eine Welt zu erschaffen, die frei von Übel ist und in der die Menschen zugleich einen freien Willen besitzen.


2. Das Übel hat einen verborgenen Sinn. Allerdings ist der Mensch aufgrund seines begrenzten Erkenntnishorizonts nicht in der Lage, ihn zu erfassen.


3. Gott hat einen langfristigen Plan. Das Übel ist notwendig, um übergeordnete Ziele zu erreichen. Das Übel wäre in diesem Fall ein Mittel zum Zweck.


4. Das individuelle Leid ist eine Strafe Gottes für begangene Sünden.


Von der ersten Variante abgesehen, hält unser Philosoph die Erklärungsversuche für wenig überzeugend. Alle Varianten würden auf eine Einschränkung der göttlichen Eigenschaften oder einen freiwilligen Machtverzicht Gottes hinauslaufen. Ernüchternd aber wahr: Mit philosophischen Mitteln lässt sich kein Bild ableiten, das alle Gottesattribute in Einklang bringt.


So unbefriedigend die Argumente für oder gegen die Existenz Gottes sind, dienen sie doch einem höheren diesseitigen Ziel: Menschen mit festen Überzeugungen, seien es theistische oder atheistische, werden dank zahlreicher, von Löffler eindrucksvoll beschriebener Ansätze ihre Haltung besser begründen können. Wichtiger noch erscheint unserem Philosophen, dass diese Argumente helfen, Andersdenkende zu verstehen.


Bleibt die Frage:



„Gibt es einen Gott, woher das Übel?

Gibt es keinen, woher das Gute?“

(Boethius)







Literatur

Boethius, A. M. Severinus: Consolationis Philosophiae. Trost der Philosophie, Artemis Verlag, Zürich 1949.

Brugger, Walter: Philosophisches Wörterbuch, Freiburg i. Breisgau 1976.

Kreiner, Armin: Das wahre Antlitz Gottes oder was wir meinen, wenn wir Gott sagen, Verlag Herder, Freiburg im Breisgau 2006.

Leibniz, Gottfried Wilhelm: Die Hauptwerke, Stuttgart 1949.

Löffler, Winfried: Einführung in die Religionsphilosophie, Darmstadt 2006.

Schmidt, Josef: Philosophische Theologie. Grundkurs Philosophie 5, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003.












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