Der Schwarze Peter rekonvalesziert noch immer. Deshalb fehlt ihm die Kraft, über Kant, Hegel oder Analytische Philosophie zu schreiben. Etwas Zugänglicheres muss her. Wie wär’s mit dem Thema romantische Liebe?

Eines weiß unser Philosoph aus Erfahrung: Beziehungen sind (von der Liebe zu seiner Katze abgesehen) generell störanfällig und von überzogenen Erwartungshaltungen geprägt.
Wer auf Amazon unter der Rubrik Bücher „Liebe“ und „Beziehung“ eintippt, erhält mehr als 100.000 Treffer. Ein Beleg, dass es bei vielen Menschen in Sachen romantischer Liebe nicht rund läuft.
Bei der Gelegenheit suche der Schwarze Peter im Internet nach passenden Zitaten. Leider erreichen die meisten nur Kalender-Niveau. Er will keine Namen nennen, aber „Ein Tropfen Liebe ist mehr als ein Ozean Verstand“ ist philosophische Schonkost. Außerdem erinnert ihn das Zitat an gesinnungsethisch aufgeladene und vernunftseitig unterbelichtete gesellschaftliche Debatten.
Zum Glück hat unser Philosoph ein Reclam-Büchlein auf dem Nachttisch liegen. So schön handlich und leicht, dass er es trotz seiner Schulterbeschwerden längere Zeit halten kann. Der Titel ist vielversprechend: „Was ist Liebe? Philosophische Texte von der Antike bis zur Gegenwart“. Damit hat der Schwarze Peter den ersehnten Knochen, an dem er nagen kann.
Das gelbe Büchlein entpuppt sich als Fundgrube für Liebes-Zitate. Nun muss er noch diejenigen filtern, die seine Leserinnen und Leser zum Weiterdenken und Reflektieren animieren.
Sorry, kein Interesse
Schon auf den ersten Seiten erfährt der Schwarze Peter, dass angeblich kein philosophisch gehaltvoller Begriff der romantischen Liebe existiert. Die Philosophie hat nach Ansicht des Autors aufgehört, eines der größten Menschheitsthemen zu bearbeiten.
Als Gegenstand der Forschung hat die Liebe – über den Umweg der Psychoanalyse – ihren vorläufigen Platz in der Endokrinologie, einem Teilgebiet der Inneren Medizin, gefunden. Ihr zufolge handelt es sich bei der (akuten) Liebe oder Verliebtheit um eine zwischenzeitliche Störung des Hormonhaushaltes.
Der Schwarze Peter erinnert sich an einen Satz aus der Naturphilosophie-Vorlesung: Eine Frage, die mit den Mitteln der Naturwissenschaft beantwortet werden kann, hört auf, eine philosophische zu sein. Auf diese Weise wurde das Terrain und Kompetenzfeld der Philosophie über die Jahrhunderte kontinuierlich verkleinert.
Dennoch erstaunt das Desinteresse der Philosophie. Immerhin sind Welt- und Liebesschmerz ein Nährboden für die philosophische Anthropologie, die sich mit Fragen nach dem gelungenen Leben (eudaimonia) beschäftigt.

6 Zitate zur Liebe
Augustinus (354-430 n. Chr.)
Vielleicht liegt die stiefmütterliche Behandlung an dem ideengeschichtlich einflussreichen Diktum des Kirchenvaters Augustinus:
„Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt“
Max Scheler (1874-1928)
Für ihn ist Liebe eine Bewegung vom niederen zum höheren Wert und damit Ausdruck der Wertordnung des Individuums.
„Wer den ordo amoris eines Menschen hat, hat den Menschen. Er hat für ihn als moralisches Subjekt das, was die Kristallformel für den Kristall ist.“
Harry G. Frankfurt (1929-2023)
Das Sich-Sorgen (Caring) um eine bestimmte Person ist wesentlich, dass wir die Art von Wesen sind, die Menschen nun mal sind. Frankfurt definiert Liebe weit gefasst als Bestandteil einer Theorie des guten Lebens. Sie ist die
„Interessefreie Sorge um die Existenz dessen, was geliebt wird, um das, was gut für es ist.
Robert Spaemann (1927-2018)
Spaemann begreift die Liebe als Ausdruck einer natürlichen Selbsttranszendenz und eines „fundamentalen Wohlwollens“. Der Verliebte macht sich ein Bild von den Qualitäten der geliebten Person… und befindet sie für gut. Wobei diese durch spätere Erfahrungen nie vollumfänglich bestätigt werden.
Aber – und das ist die gute Nachricht – die Liebe richtet den Blick auf die Person jenseits der angenommenen Qualitäten. Wenn die Liebe entzündet ist, lässt sie die Erwartungen an den Anderen zurück und ist bereit, sich in bedingungsloser Hingabe auf alle Wandlungen einzulassen. Deshalb kommt Spaemann zu der Annahme:
„Wer auf die Frage, warum er diesen Menschen liebt, eine Antwort geben kann, der liebt noch nicht wirklich.“
Eva Illouz (1961)
In „Der Konsum der Romantik“, beschreibt die israelisch-französische Soziologin, wie kapitalistische Wesenszüge mit dem Thema Romantik verknüpft werden und Konsumartikel eine Bedeutungsaufladung erfahren. Alltägliche Gegenstände wie Uhren, Kosmetika oder Nahrungsmittel werden romantisiert und emotional erfahrbar gemacht.
Im nächsten Schritt widmet sich Illouz der Frage, wie sich die ursprünglich private Kultur romantischer Beziehungen durch den Kapitalismus und den Einfluss von Medien verändert.
„Romantische Liebe ist eine kollektive Arena, in der die sozialen Teilungen und kulturellen Widersprüche des Kapitalismus ausgetragen werden.“
Robert Nozick (1938-2002)
Der allgemeine Begriff der Liebe umfasst die romantische, freundschaftliche, die zum eigenen Kind oder die Liebe zum Vaterland. Bei allen diesen Erscheinungen ist das eigene Wohlergehen mit dem, was man liebt, verknüpft.
Wird das Geliebte verletzt, ist man auch verletzt. Wenn ihm Gutes geschieht, geht es einem selbst besser. Nozick spricht von einer Ausdehnung des eigenen Wohl- oder Unwohlseins. Denn:
„Die Menschen, die man liebt, befinden sich innerhalb der eigenen Grenzen, ihr Wohlbefinden ist das eigene.“
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