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Philosophisches Lexikon - Pan(en)theismus

Autorenbild: fowlersbayfowlersbay

Pan… was? Wer lässt sich solche Wörter einfallen? Nur eine Silbe trennt die beiden Begriffe. Dennoch ist der Bedeutungsunterschied enorm. So viel vorweg: Der Panentheismus ist eine interessante Variation des Pantheismus.


Pantheismus (Identität von Gott und Natur)


Pantheisten (altgr. pān = alles, theós = Gott) glauben, dass das Göttliche mit der gesamten Wirklichkeit des Universums identisch ist. Für sie existiert kein personifizierter Gott, der die Welt mitsamt den Menschen (nach seinem Bilde) erschaffen hat.


Vielmehr geht das Göttliche vollständig in der Vielfalt und Gesamtheit der natürlichen Erscheinungen auf. Natur und Gott bilden eine untrennbare heilige Einheit... vom Stein über den Baum bis zu hochentwickelten Lebewesen. Kurz gesagt: „Gott ist alles“ und „Alles ist Gott“. Wenn Gott die Summe von allem (und nichts darüber hinaus) ist, wird er zum Sammelbegriff für die Welt und den Kosmos.

 

Das lehrt Respekt vor der Natur und den sorgsamen Umgang mit ihr. Da jede Entität zugleich göttlich ist, kann der Pantheist zudem jeden beliebigen Baum oder sich selbst anbeten.

 

Im Gegensatz zu monotheistischen Religionen (Islam, Judentum, Christentum) handelt es sich beim Pantheismus nicht um ein, von Offenbarungsschriften gestütztes, homogenes Glaubenssystem. Damit befindet er sich im Dunstkreis individueller Weltanschauungen und mystischer oder esoterischer Strömungen, die nur intuitiv zugänglich sind.

 

 

Die Bibel und der Pantheismus


Oft wird die in der Bibel erwähnte Allgegenwart Gottes als pantheistisches Gedankengut fehlinterpretiert.

 

„Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen.“ (Psalm 139, 8)

 

Nach christlichem Verständnis bedeutet Allgegenwart, dass Gott zwar zu jeder Zeit an jedem Punkt im Universum präsent ist, sich aber nicht in den Gegenständen materialisiert. Zwischen ihm und der Schöpfung besteht ein nicht reduzierbarer Unterschied. Somit steht der Pantheismus als Gott-Welt-Einheit dem Christentum mit seinem personalen Gottesbild diametral gegenüber.

 

Während in der christlich-jüdischen Tradition Gott als allmächtig, allwissend und allgütig beschrieben wird (was im Theodizee-Problem seine Zuspitzung erfährt), bleibt der Pantheismus unpersönlich und unbestimmt. Er kennt keinen Gott, der sich um seine Schöpfung kümmert oder unmittelbar in den Weltlauf eingreift.

 

Das ehrgeizige Anliegen des Pantheismus: Die Überwindung des Dualismus, bei dem sich Gott und die Schöpfung, durch ein Machtgefälle getrennt, gegenüberstehen. Laut Josef Schmidt kann der Dualismus in Reinform nicht existieren, weil der Mensch immer etwas Vermittelndes mitdenkt. Eine Gegenüberstellung ist aber nur unter Berücksichtigung einer Gemeinsamkeit möglich. Denn es gibt keine Differenz ohne Identität (Schmidt)

 

 

Kritik am Pantheismus


Die Bibel verbietet es, Gegenstände aus der Natur götzenhaft anzubeten. Zudem treibt Theologen die Ambivalenz des Pantheismus um. Er kann nämlich, so Josef Schmidt, nach beiden Seiten, nach Gott und der Welt hin, ausgelegt werden.

 

„Der Mangel an begrifflicher Klarheit hängt auch damit zusammen, dass es oft mehr um den Ausdruck eines Gefühls geht, einer Stimmung oder Intuition, die noch im Vorfeld differenzierter Reflexion liegt.“ (Schmidt)

 

Eine bittere Erkenntnis für die Kirche:


„Er [der Pantheismus] ist eine höfliche Wendung, den Herrgott den Abschied zu geben.“ (Arthur Schopenhauers)

 

Da der des Pantheismus als unvereinbar mit dem christlichen Gottesglauben gilt, ist Schopenhauers Gedanke logisch und konsequent. Denn: Wenn Gott die Welt ist (und nichts darüber hinaus) kann er nicht ihr Schöpfer sein. Eine Machteinschränkung, die den christlichen Glauben im Kern trifft.


 

Panentheismus

 

Schafft es der Pan-en-theismus (altgr. pān en theó = alles in Gott), die theologisch problematischen Wesensmerkmale des Pantheismus mit dem biblischen Denken zu versöhnen? Immerhin handelt es sich beim Panentheismus gegenüber dem Pantheismus um eine Neubestimmung des Verhältnisses zwischen Gott und der Welt.

 

Obwohl panentheistisches Denken bis zu Augustinus, Thomas von Aquin und zahlreichen Mystikern zurückreicht, taucht der Begriff erstmals 1828 bei dem Philosophen Karl Friedrich Krause auf. Sein Anliegen: Die Immanenz der Welt mit der göttlichen Welttranszendenz in Einklang zu bringen.


Karl Krause zufolge ist Gott in sich und durch sich auch alles, was es gibt. Beim Panentheismus ist nicht alles zugleich göttlich (z. B. ein Baum), aber Gott ist mehr als die Welt. Anders als im Pantheismus geht Gott nicht in der Summe aller natürlichen Erscheinungen auf. Gott und Natur sind nicht identisch. Gott hat einen Bedeutungsüberschuss, indem er das Innerweltliche übersteigt.

 

Diese behutsame Personalisierung ermöglicht es, einen wandelbaren, empfänglichen und „ansprechbaren“ Gott widerspruchsfrei zu denken. So ist die Vorstellung vom

 

„Berührt-Werden Gottes durch das Leid der Welt keineswegs nur ein Merkmal des Panentheismus, sondern auch in der traditionellen christlichen Theologie verankert.“

(Hoffman, Pemsel-Mauer)

 

Bei aller Versöhnlichkeit gegenüber christlicher Theologie, sieht der Panentheismus in der Schöpfung keinen punktuellen göttlichen Akt, sondern einen permanenten Schöpfungsprozess. Gottes Wirken zeigt sich durch das Handeln seiner menschlichen Vertreter, die sich aufgrund ihres freien Willens für das Gute oder Böse entscheiden können.



 

 

 

Literatur

Brugger, Walter u. Schöndorf, Harald: Philosophisches Wörterbuch, Verlag Karl Alber, Freiburg im Breisgau 2010.

Hoffmann, Julia u. Pemsel-Maier, Sabine: Pantheismus. Artikel in: www.die-bibel.de, https://doi.org/10.23768/wirelex.Panentheismus.20102

Schmidt, Josef: Philosophische Theologie, Grundkurs Philosophie, Band 5, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003.

 

 

 

 

 

 

 

 

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