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Prosodie - wie Vorträge gelingen

Autorenbild: fowlersbayfowlersbay

Aktualisiert: 24. Feb.

Unser Philosoph, der Schwarze Peter, weilt in einer Rehaklinik. Er hat nämlich ein künstliches Schultergelenk bekommen. Wie man sich als Bücherwurm einen veritablen Schulterschaden zuziehen kann, bleibt sein Geheimnis. Zum Glück kommt es in der Philosophie nicht auf körperliche Höchstleistungen an. Wichtiger sind Text-, Lese-, Analyse- und Sprachkompetenz sowie die Fähigkeit, packende Reden zu schwingen.


Wer etwas mitzuteilen hat, will verstanden werden. Philosophisches Geschwurbel, gespickt mit lateinischen und altgriechischen Begriffen, mag das Ego streicheln, Fachkollegen erfreuen und Smalltalk-Teilnehmer beeindrucken. Die Mehrheit philosophisch interessierter Menschen wird sich ermattet abwenden.

 


Einer schwitzt, die anderen schlafen


Von seinem Krankenbett aus wird der Schwarze Peter heute einige Tipps geben, wie ein Vortrag an Vitalität gewinnt. In der Kürze liegt die Würze! Sätze, lang und nebulös wie die von Immanuel Kant, strapazieren hingegen die Geduld der Zuhörer. Dass es anders geht, wissen wir durch Ludwig Wittgenstein (1889-1951):


„Alles, was gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles, was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen.“

Das leuchtet unmittelbar ein, wird aber selten beherzigt. An irgendeiner Stelle des Vortrags geht den meisten Rednern verbal der Gaul durch. Ab diesem Punkt bleibt das Publikum ratlos zurück. Chance verpasst, denkt sich unser Philosoph. Dabei ist es kein Hexenwerk, sein Publikum in den Bann zu ziehen.

 


Keine (übertriebene) Angst vor Referaten


Zugegeben, es erfordert Selbstkontrolle, sich im Laufe eines Vortrags nicht der Flut seiner Gedanken hinzugeben. Zu groß ist die Furcht, etwas Wichtiges unerwähnt zu lassen. Ganz abgesehen von der unvermeidlichen Nervosität:


„Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Augenblick der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.“ (Mark Twain)

Dieses Phänomen hat einen fast schon pathologisch klingenden Namen:


LAMPENFIEBER


Während Kinder meist entspannt und freudig vor ein Publikum treten, plagt Erwachsene das Lampenfieber… egal ob es sich um Laien oder professionelle Redner handelt. Die Gründe sind mannigfaltig. Man


  • erregt Aufmerksamkeit

  • steht im Mittelpunkt

  • fühlt sich schutzlos

  • hat Angst zu versagen

  • enttäuscht eigene und fremde Erwartungen

  • setzt sich einer Bewertung aus

 

Aber: Lampenfieber ist nicht nur Fluch, sondern auch Segen, denn es hilft bei der Fokussierung. Das funktioniert beim Schwarzen Peter immer dann, wenn er sich inhaltlich und die Wortwahl betreffend auf das Notwendige beschränkt. Da ist er nah an seinem Philosophen-Kollegen Schopenhauer (1788-1860), der uns weise Worte hinterlassen hat:

 

„Man gebrauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge.“

 

Oder, wie Pythagoras sagte:

 

„Man soll schweigen oder Dinge sagen, die noch besser sind als das Schweigen.“

 

Genug der Zitate. Das Dahindämmern in der Reha-Klinik darf unseren Philosophen nicht davon abhalten, ein paar praktische Tipps zu geben.

 


Die Prosodie


Klare und prägnante Sätze sind mindestens die halbe Miete. Wobei auch aufs Wesentliche reduzierte Texte leidenschaftslos vorgetragen werden können. Viele Redner halten die Stimme für das wichtigste Instrument bei einem Vortrag.


Tatsächlich ist sie nur eine Einflussgröße von dem, was Rhetoriker Prosodie (Sprachgestaltung) nennen. Übrigens ein sehr schönes, poetisch klingendes, Wort. Die Prosodie erfüllt mehrere Funktionen:


  • Einen Absatz oder Satz in sinnvolle Abschnitte unterteilen

  • Aussagen hervorheben und verstärken

  • Einer Aussage Emotionen, Ausdruck, Humor und Ironie verleihen

  • Eine Rede beleben

  • Das Fehlen grammatischer Zeichen (z. B. Kommata) ausgleichen

 

 

Folgender Satz ist ohne Kommasetzung (Schriftform) oder Prosodie (Vortrag) monoton und zweideutig:

 

Peter kommt nicht aber Michael


In der Schriftform wird diese Aussage durch unterschiedliche Kommasetzung akzentuiert und damit eindeutig. Für die mündliche Wiedergabe braucht es zur Kodierung die Prosodie (Pausen, Tonlage) . Durch sie werden die unterschiedlichen syntaktischen Strukturen erkennbar:


Peter kommt, nicht aber Michael

Peter kommt nicht, aber Michael


Was hat das mit einem philosophischen Dialog oder Vortrag zu tun? Bei einer Materie, die als trocken und schwer vermittelbar berüchtigt ist, muss der Vortrag lebhaft, wohl akzentuiert und nuancenreich sein. Der geübte Redner bedient sich auf spielerische Weise der gesamten Fülle des Prosodie-Werkzeugkastens.


Der Schwarze Peter erinnert sich an einen außergewöhnlichen Vortrag während seiner Studienzeit: Ein älterer Dozent, gekleidet, wie es im antiken Athen in der Oberschicht üblich war (Chiton und Himation), gab auf äußerst lebhafte Weise altgriechische Texte zum Besten.


Unser Philosoph hat maximal die Hälfte verstanden, aber er war aufmerksam. Gebannt starrte er auf das Spektakel und fühlte sich in die Zeit der Antike versetzt. Er bekam eine Vorstellung davon, wie Sokrates‘ Unterhaltungen mit seinen Anhängern ausgesehen haben könnten. Das, nicht der Inhalt, hat sich in seinem Gedächtnis verankert. Untersuchungen zeigten, dass der Erfolg eines Vortrags zu rund 10 Prozent vom Inhalt abhängt.



 
 

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