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Warum der Mensch philosophiert - 10 Gründe

Aktualisiert: 16. Nov. 2020

Manche sehen in der Philosophie das bedeutsame Wirken ungewöhnlicher Menschen. Sie versprechen sich von ihr nicht weniger als außerordentliche Erkenntnisse. Andere halten sie für das überflüssige Grübeln von Träumern und lassen sie gleichgültig beiseite.


Zwischen diesen von Karl Jaspers beschriebenen Extremen bewegen sich die Meinungen über den Wert der Philosophie. Lohnt sich die Beschäftigung mit den teils sperrigen Theorien? Oder produzieren Philosophen lediglich Fragen ohne Antworten zu liefern? Es gehört zum Wesen des Menschen, Fragen zu stellen. Auch solche, die naturwissenschaftlich nicht zu beantworten sind. Es handelt sich um Letztfragen, um Fragen nach dem Urgrund der Dinge. Sie betreffen zum Beispiel das Göttliche oder die Unsterblichkeit der Seele.


Etwas näher am Leben eines „Otto-Normalbürger“: Die Philosophie sensibilisiert für Dinge, um derentwillen sich das Leben lohnt. Für die man unter Verzicht bereit ist, sich zu engagieren. Das betrifft alltagsweltlich relevante Themen wie Gerechtigkeit, Moral und eigenständig kritisches Denken. Wer die Fähigkeit hat zu staunen, wer sich Fragen nach dem Sinn des Lebens stellt, fängt an, Philosoph zu sein.



1. Sokrates


„Denn dies ist der Zustand eines gar sehr die Weisheit liebenden Mannes, das Erstaunen; ja es gibt keinen anderen Anfang der Philosophie als diesen […].“


2. Aristoteles


„Denn Verwunderung veranlasste zuerst wie noch jetzt die Menschen zum Philosophieren.“


3. Epiktet


„Der erste und notwendigste Bereich der Philosophie umfasst die Anwendung ihrer Lehren.“


4. Novalis


„Die Philosophie ist eigentlich Heimweh, Trieb, überall zu Hause zu sein.“


5. Bertrand Russell


„Die Philosophie an sich bedeutet nämlich weder die Lösung unserer Schwierigkeiten noch die Rettung unserer Seelen, sondern - wie die Griechen sie auffassen - eine Art abenteuerliche Unternehmung.“


6. Ludwig Wittgenstein


„Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unsres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.“


7. Reinhard Brandt

„Was kann man sich von der Philosophie erhoffen? Der existentiell Suchende den Distanz-Blick, der der Philosophie seit Sokrates den Ruf verschaffte, eine Art Seelenheilkunde zu sein; sie korrigiert die aufgeregten Meinungen und befriedet die Seele mit sich selbst durch Distanz und Einsicht.“


8. Bernhard Welte


„Wer mitdenkend mit den griechischen Philosophen geht, kann immer wieder Neues durch sie sehen lernen. Und er wird dadurch zugleich besser instand gesetzt, eigene und neue Wege des Denkens zu gehen.“


9. Philipp Hübl


„[W]er durch die philosophische Brille schaut, sieht Altbekanntes mit einem schärferen Blick.“


10. Friedrich Paulsen


„Jede Wissenschaft erforscht die Wirklichkeit, sofern sie körperlich ist und gewisse allgemeine Verhaltensweisen zeigt; […]: indem wir alle diese Erkenntnisse in eins fassen, um eine Antwort auf die Frage zu geben, was es mit der Wirklichkeit überhaupt auf sich habe, haben wir Philosophie.“

Streng wissenschaftsgläubige Menschen werden die Philosophie wegen des Fehlens allgemein gültiger, empirisch belegbarer, Ergebnisse weiterhin ignorieren. Nicht berücksichtigend, dass sich das Nützlichkeitsversprechen der Philosophie von anderen Disziplinen wie den Wirtschaftswissenschaften, der Physik oder Mathematik fundamental unterscheidet. Die Philosophie orientiert sich nicht vorrangig an Wirtschaftlichkeitserwägungen. Sie bietet auch keinen kontinuierlichen Erkenntnisfortschritt. Gerd Achenbach warnt aber davor, einen unüberwindbaren Graben zwischen dem philosophischen und dem naturwissenschaftlichen Terrain zu ziehen. Denn „[e]chte philosophische Probleme haben ihre Wurzeln immer in drängenden Problemen außerhalb der Philosophie.“ (Karl Popper)


Bleibt die Frage: Wozu Philosophie? Weil es auf der Welt keine Erkenntnis gibt, die so unumstößlich gewiss ist, dass niemand daran zweifeln kann und darf. In Form der Wissenschaftstheorie hat die Philosophie nach Stefan Bauberger folgende Aufgabe: Klären, was Wissenschaft ist, wie sie funktioniert und was sie erkennt. Sie reflektiert über die Methoden der empirischen Wissenschaften.


Darüber hinaus versteht sich Philosophie als eine Lebenskunst, die selbstzwecklich das eigene Leben bereichert. Sie eignet sich für

„Menschen, denen es nicht genügt, nur zu leben oder bloß so durchzukommmen“. (Gerd Achenbach)

Sie ist ideal für Menschen, die sich fragen: "Was tue ich eigentlich?" oder "Was tun die Anderen eigentlich?


Ein abschließender Hinweis von Arthur Schopenhauer: Er vergleicht die Philosophie mit einer Arznei, die ihre Wirkung nicht im Moment des Einnehmens entfaltet, sondern mit zeitlicher Verzögerung.


Um mit Freude dauerhaft zu philosophieren braucht es Geduld. Was es nicht braucht, ist eine akademische philosophische Ausbildung.







Literatur


Achenbach, Gerd B.: Die Grundregel Philosophischer Praxis, in: https://www.achenbach-pp.de/de/philosophischepraxis_text_Grundregel.asp (Stand: 30.01.2020).

Bauberger, Stefan: Wissenschaftstheorie. Was weiß die Wissenschaft?, Skriptum, Hochschule für Philosophie München, München 2013.

Aristoteles: Metaphysik, 4. Auflage, Rowohlt, Hamburg 2005.

Brandt, Reinhard: Philosophie. Eine Einführung, Reclam, Stuttgart 2001.

Epiktet: Handbüchlein der Moral, Reclam, Stuttgart 1992.

Höffe, Otfried: Philosophie: Vom Nutzen des Nutzlosen

Hübl, Philipp: Folge dem weißen Kaninchen… in die Welt der Philosophie, 8. Auflage, Rowohlt, Hamburg 2012.

Jaspers, Karl: Die Unabhängigkeit des philosophierenden Menschen, 4. Auflage, Piper Verlag, München 1997.

Jaspers, Karl: Einführung in die Philosophie, 4. Auflage, Artemis Piper Verlag, München 1963.

Novalis: Das allgemeine Broullion: Materialien zur Enzyklopädistik 1798/99, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1993.

Paulsen, Friedrich: Einleitung in die Philosophie, 36.-38. Auflage, Cotta'sche Buchhandlung, Stuttgart/Berlin 1923.

Platon: Sämtliche Werke. Theaitetos. Band 3, 37. Auflage, Rowohlt, Hamburg 2013.

Popper, Karl R.: Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Gesammelte Werke. Band 10, Verlag Mohr Siebeck, Tübingen 2009.

Posener, Alan: Das Pardoxon der Philosophie, in: https://starke-meinungen.de/blog/2014/07/29/das-paradoxon-der-philosophie/ (Stand: 28.01.2020).

Russell, Bertrand: Denker des Abendlandes. Eine Geschichte der Philosophie, 2. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1992.

Schopenhauer, Arthur: Werke in zwei Bänden, Hanser Verlag für Bertelsmann, Gütersloh.

Welte, Bernhardt: Religionsphilosophie, Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 1997.

Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Werksausgabe Band 1, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1984.


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