BUCHTIPP: Philosophie-Splitter für das Management
- fowlersbay
- vor 4 Tagen
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Du möchtest einen interessanten und gut bezahlten Job. Dann solltest Du Philosophie studieren. Wie bitte? Die Philosophie ist eine brotlose Kunst. Marco Rubio hat in seiner Zeit als Gouverneur von Florida behauptet, jeder Schweißer würde mehr verdienen als ein Philosoph.

Von wegen: Ein Philosophiestudium ist nicht nur hip, es macht reich (Marc Neumann). Letzteres ist zwar nicht die Regel, aber die Chancen, mit der Philosophie sein Leben bestreiten zu können, stehen gut.
Seit etwa zwanzig Jahren befindet sich die Philosophie nämlich im Aufwind. Zuerst in den USA, dann – mit Verspätung – in Europa. Markante Figuren wie Richard David Precht und Slavoj Žižek haben hierzulande durch ihre Medienpräsenz zur Popularität beigetragen.
Ungeahnte Fähigkeiten
Nicht nur im Silicon Valley werden reihenweise praxisorientierte Philosophinnen und Philosophen angeworben. Warum? Weil kritisches Hinterfragen (z. B. von Geschäftsstrategien) und analytisches Denken in komplexen Systemen für den geschäftlichen Erfolg von Unternehmen wesentlich sind. Diese Qualitäten gedeihen im Rahmen eines Philosophiestudiums. Als da wären:
Sprach-, Schreib-, Lese- und Argumentationskompetenz
Analysekompetenz
Logische Argumentation (das Aufzeigen von Widersprüchlichkeiten)
Diese universalen Fähigkeiten weiten die Einsatzmöglichkeiten akademisch ausgebildeter Philosophen und Philosophinnen. Sie reichen vom Journalismus über das Kommunikationswesen hin zur Kultur, der öffentlichen Verwaltung und dem Bankenwesen.
Zurück zum Thema
Worüber wollte ich schreiben? … ach ja, über Heiner Müller-Merbachs Buch „Philosophie-Splitter für das Management“. Zwar nicht mehr taufrisch, ist es (wie die Philosophie) von zeitloser Aktualität. Es richtet sich an Menschen, die dort sitzen, wo die viele hinwollen… in der Führungsetage. Wozu dann noch mit Philosophie beschäftigen? Weil sie Managern hilft, ganzheitlich, holistisch zu denken und zu agieren. Denn:
„In den westlichen Industrienationen wird eine unglaubliche Verschwendung betrieben: eine Verschwendung an Ideenkapital.“ (Müller-Merbach)
Kaum etwas bringt Manager schneller auf die Palme als die Verschwendung wichtiger Ressourcen. Vor allem, wenn sie Geld, Zeit UND Wachstum kostet.
Dabei sind die Weisheits-Schätze aus unterschiedlichen Jahrhunderten leicht zugänglich. Dankenswerterweise hat Heiner Müller-Merbach aus der Fülle philosophischer Erkenntnisse 16 Handreichungen für Unternehmensführer destilliert.
So viel vorweg: Er ist der Ansicht, dass es zur Lösung von Führungsaufgaben ganzheitlicher Konzepte bedarf. Voraussetzung dafür ist das Vorhandensein eines Grundverständnisses der Welt.
„Nur wer ein festes (gleichwohl nicht starres) Weltbild besitzt, wer nach Grundprinzipien handelt, wer Leitlinien für sein Wahrnehmen und Denken besitzt, wird große Aufgaben meistern […] können.“ (Müller-Merbach)
Als Zeugen für die Übertragbarkeit philosophischer Weisheit auf heutige Unternehmenskulturen dienen ihm – um zwei zu nennen – Heraklit (ca. 520-460 v. Chr.) und Thomas Hobbes (1588-1679).
Die Heraklitische Unternehmenskultur
Ein Manager Heraklitischer Prägung versteht die Welt als Einheit von Gegensätzen. Er nutzt deren Kraftpotentiale. Dabei richtet er seine Gestaltungskraft nicht allein auf das was ist (das Statische), sondern auf die Prozesse des kontinuierlichen Werdens und Vergehens.
„In die gleichen Ströme steigen wir und steigen wir nicht; wir sind es und sind es nicht.“ (Heraklit)
Soll heißen: Der Main fließt durch Frankfurt, aber sein Wasser wechselt unaufhörlich… wie auch wir uns pausenlos verändern. Auch ein Unternehmen befindet sich niemals in der gleichen Situation. Stets muss die Führungskraft, der Situation angepasste, Entscheidungen treffen.
„Es macht einen Unterschied, ob man die Welt aus ihrem jeweiligen Zustand heraus zu verstehen sucht oder aus den Prozessen ihrer Entwicklung.“ (Müller-Merbach)
Folgerichtig macht es für den Unternehmenserfolg einen Unterschied, ob der Manager sich darauf konzentriert, Zustände zu verwalten oder Entwicklungen zu gestalten.
Die betriebswirtschaftliche Bewertungslehre kennt für die Begriffe des Werdens oder des Sein die Entsprechung Ertragswert versus Substanzwert.
Die Hobbessche Unternehmenskultur
Thomas Hobbes richtet seinen Blick auf die Sozialsysteme. Im gesellschaftlichen Urzustand gibt es kein Recht auf Eigentum und keine Eigentumsgesetze. Jeder hat einen natürlichen Anspruch auf alles. Im Krieg aller gegen alle setzt sich der Stärkere durch. Erst die gesellschaftliche Vernunft weckt das Bedürfnis nach einer Regelung der Anspruchsverhältnisse. Das Ergebnis: ein für alle bindender Gesellschaftsvertrag. Dafür bedarf es einer mächtigen Leitung des Staates.
„Ist Marktwirtschaft nicht auch ein Krieg aller gegen alle? Empfindet nicht jeder Unternehmer ein Recht auf ungehinderten Zugang zu sämtlichen Beschaffungsmärkten und sämtlichen Absatzmärkten […].“ (Müller-Merbach)
Der Urtyp des Hobbesschen Managers (der in Schattierungen existiert) ist ein rücksichtsloser Geschäftemacher. Mitarbeiter sind sprechende Nutztiere. In der Regel verachtet er Anstand, Fairness und unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.
Aber er gehört zu einer seltener werdenden Spezies, denn Manager sind ist an zahlreiche Regelungen gebunden:
Äußere: Gesetze, Vorschriften, Marktspezifika, Aufsichtsbehörden, Presse, Gewerkschaften
Innere: Gesellschafter, Aufsichtsrat, Betriebsrat, Wirtschaftsausschüsse
Hierarchische: Unterschiedliche Entscheidungskompetenzen
Dennoch treffen im Unternehmen Menschen mit unterschiedlichen Zielen und Interessen aufeinandertreffen. Das führt zu Spannungen, Machtkämpfen und Intrigen. Die Kunst des Managements ist es, diese Befindlichkeiten (z. B. durch einen Heraklitischen Führungsstil) zu zähmen und für das Unternehmen fruchtbar zu machen.

Buchinformation
Müller-Merbach, Heiner
Philosophie-Splitter für das Management. 16 praktische Handreichungen für Führungskräfte
320 Seiten
gebunden
ISBN-13 978-3920826080
12,77 Euro
Sonstige Literatur
Neumann, Marc:
Amerika entdeckt die Philosophie als Fitnessstudio des Geistes,
in: Neue Züricher Zeitung
vom 27.12.2018.