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Philosophie, Religion, Theologie – Teil 2

  • Autorenbild: fowlersbay
    fowlersbay
  • 1. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Muss sich die Religion, auf ihrem eigenen Ursprung (dem Glauben) stehend, von der Vernunft belehren lassen? Kann die Philosophie der Religion gar gefährlich werden, wenn sich das aufgeklärte und vernünftige Denken durchsetzt?

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Nur, wenn die Philosophie die Bedeutung der Religion durch den Verweis auf deren Mangel an vernünftiger Begründbarkeit relativiert. Vor allem atheistische Denker sehen in Gott keinen sinnvollen Gegenstand philosophischen Fragens (Wilhelm Weischedel).

 

In Gestalt der Religionsphilosophie versucht die Philosophie, das Wesen und die Wahrheit des religiösen Glaubens mittels der Vernunft zu begreifen. Das geschieht ohne den für die Religion notwendigen Rückgriff auf Offenbarungsansprüche (vgl. Josef Schmidt).

 

Dennoch sind Religion und Philosophie keine artfremden Bereiche, sondern in ihrem Wesenskern aufeinander verwiesen. In beiden „Disziplinen“ ist Gott der höchste Gegenstand des Denkens. Für Hegel (1770-1831) ist der Inhalt der Philosophie und der Religion derselbe.

 

 

Etwas mehr Respekt, bitte!


Deshalb muss sich die Philosophie der Religion wertschätzend nähern. Immerhin handelt es sich um eine Jahrtausende alte kulturelle Erscheinung. Für Jörg Splett ist Religion in ihren vielfältigen Ausformungen eine Grunderfahrung des Menschen und für Milliarden Individuen spirituell wegweisend. Das bedeutet:

 

„[Die Philosophie] wird nicht gefährlich werden, wenn sie die Religion als ihr Vorgegebenes achtet und sich bemüht, diese vorgegebene Sache aufzuklären hinsichtlich ihres Wesens.“ (Bernhard Welte)

 

Eines Wesens, das laut Hegel – wer würde ihm widersprechen? – hochgradig spekulativ ist. Deshalb kann die Philosophie die Religion als etwas Vorgegebenes nur mit dem Blick des neutralen Beobachters nach-konstruieren.


Die Hauptaufgabe der Philosophie besteht in der kritischen Reflexion. In der modernen, aufgeklärten Welt ist es eine Selbstverständlichkeit, den Gottesbegriff prüfend und differenziert zu hinterfragen. Die Religion kann sich dieser Aufgabe aufgrund ihres Glaubensfundaments nicht unvoreingenommen stellen.



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Jenseits der Vernunft


Im Gegensatz zum philosophisch denkenden Menschen, fühlt sich der religiöse Mensch vom Göttlichen direkt angesprochen. In diesem Fall verhält sich Gott zum Menschen. Gläubige gehen davon aus, dass Gott der Schöpfung (und dem Individuum) zuwendet und ihr Anteil nehmend gegenübersteht.

 

„Unter Religion wird seit alters her die Beziehung des Menschen zu Gott oder zum Bereich des Göttlichen verstanden.“ (Bernhard Welte)

 

Für den Kirchenvater Augustinus von Hippo (354-430 n. Chr.) existiert ein Kern des Glaubens, den die Philosophie nicht erreicht: die Inkarnation, die Vorstellung der Menschwerdung Gottes.

 

„Und der Logos [Geist] ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14)

 

Auf diese Weise nimmt Gott das Leiden des Menschen auf sich. Augustinus sieht darin eine letzte Solidarität Gottes mit seiner Schöpfung. Diese (im neutralen Sinn un-vernünftige) Botschaft von der postulierten Einheit Gottes und der Menschheit reicht über die Philosophie hinaus (Josef Schmidt). Das ist der Punkt, an dem sich die Religion fundamental von der Philosophie unterscheidet. Es ist der Punkt, an dem das philosophische Denken an seine Grenze stößt.

 

Mag der Inhalt der Philosophie und der Religion nach Hegel der gleiche sein, mit der Inkarnationslehre wird eine Ebene erreicht, die für den trennenden (kritischen) und objektivierenden Verstand nicht erklimmbar ist.

 

So kommt Hegel zu dem Ergebnis, dass alles Spekulative (die Existenz Gottes, die Inkarnation) für den Verstand ein Mysterium ist.

 

„Eine der Religion eigentümliche Erfahrung besteht darin, dass Gott oder das Göttliche dem Menschen zwar nahe, aber auch entzogen ist.“ (Josef Schmidt)

 

Der Mensch kann Gott weder vor sein Auge bringen, noch kann er ihn begreifen. Wie sagt Augustinus treffend: Wenn du es begreifst, ist es nicht Gott.

 

So ist es zweifelhaft, ob das Denken (philosophische Gottesbeweise hin oder her) zum Nicht-Begreifbaren gelangen kann.

 

„Will man im philosophischen Denken redlich bleiben, dann kann man die Philosophische Theologie heute nur so treiben, dass man fragt, ob und in welcher Weise überhaupt noch in der Gegenwart philosophisch von Gott geredet werden kann.“ (Weischedel).

 

 


 

Literatur

Brugger, Walter u. Schöndorf, Harald: Philosophisches Wörterbuch, Verlag Karl Alber, Freiburg im Breisgau 2010.

Schmidt; Josef: Philosophische Theologie. Grundkurs Philosophie Band 5, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003.

Weischedel, Wilhelm: Der Gott der Philosophen. Band 1, Verlag dtv Wissenschaft, München 1979.

 

 

 

 

 

 

 
 
 

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