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Vom Nix kommt nix – oder?

Autorenbild: fowlersbayfowlersbay

Lassen sie uns von nichts reden, besser gesagt vom Nichts. Ein ambitioniertes Vorhaben, denn das absolute Nichts ist keine physikalische Entität. Es hat keine Gestalt und lässt nicht zu, mit dem Demonstrativpronomen „dieses“ wie mit dem Finger darauf zu zeigen. Aufgrund des Fehlens jeglicher Weltbezüge entzieht es sich der Vorstellungskraft und Beschreibung.

Im Gegensatz zum relativen Nichts („Dieser Umzugskarton enthält nichts“) ist das absolute Nichts kein Gegenstand der Erfahrung, sondern metaphysischer Art. Das bedeutet, dass es empirisch nicht zugänglich ist.

 

Für Rudolf Carnap (1891-1970), einem Vertreter des logischen Empirismus, ist der Begriff des absoluten Nichts inhaltsleer. Deshalb kann nicht sinnvoll darüber geredet werden. Tut man es, ergibt sich ein performativer Widerspruch. Indem man das absolute Nichts thematisiert, erhebt man es in den Rang einer Entität. Auch die Negation von allem was ist, also auch die Negation der eigenen Existenz, führt nicht zum reinen, absoluten Nichts.

 

„Schon Gorgias argumentierte: Das Nichts denken heißt immerhin etwas denken, und insofern ist der Gedanke des Nichts widersprüchlich.“ (Josef Schmidt)

 

Dieses rätselhafte Nichts, als Substantiv großgeschrieben, hat im Gegensatz zum innerweltlichen Es-ist nur eine Eigenschaft, nämlich eigenschaftslos zu sein. Das ist eine der wenigen sinnvollen Aussagen, die man über das absolute, reine Nichts treffen kann. Hätte es greifbare oder widerspruchsfrei denkbare Merkmale, wäre es nicht das absolute Nichts, sondern ein dem Sein verwandter Zustand… ein Kontrast zum Es-gibt. Hegel beispielsweise bezeichnet das absolute Nichts als Äquivalent zum Sein.


Das Nichts als Kontrast

 

In diese Richtung weist der Fundamentalontologe Martin Heidegger (1889-1976) mit einer monumentalen Theorie. Für ihn offenbart sich durch das Nichts das Sein. Das Sein und das Nichts bedingen einander. Damit behandelt er das Nichts wie eine Entität. Es ist nicht nichts, sondern eine unbestimmte Form der Anwesenheit, die in der existentiellen Grundstimmung der Angst ihren Ausdruck findet und fühlbar wird. Damit schiebt Heidegger dem absoluten Nichts einen Seinsgehalt unter (Ludger Lütkehaus).



Im Gegensatz zur intentionalen Furcht (z. B. vor Spinnen oder Prüfungen) bleibt die Angst umfassend und ohne konkrete Zielrichtung. Heidegger sieht in der Angst (bei der es stets um das Ganze geht) eine Grundkonstante des Lebens, vor der es kein Entrinnen gibt. Es ist die Angst vor dem absoluten Nichts, nach menschlichen Maßstäben vor dem Tod.

 

 

Die Unmöglichkeit des Nichts

 

Thomas von Aquin (1225-1274), bekannt geworden durch seine bis heute wirkmächtigen fünf Gottesbeweise, behauptet „Wenn nichts war, wäre nie etwas“.

 

„Wir finden [..] unter den Dingen solche, welche die Möglichkeit haben, zu sein und nicht zu sein.“  (Thomas)

 

Die Erde und das Universum sind. Sie könnten aber auch nicht sein. Das Gleiche gilt für jedes Lebewesen.

 

„Wenn also alles die Möglichkeit hat, nicht zu sein, dann war hinsichtlich der Dinge auch einmal nichts. Wenn dies aber wahr ist, dann wäre auch jetzt nichts, weil das, was nicht ist nur anfängt zu sein durch das, was ist.“ (Thomas)

 

Das bedeutet, dass es ein Seiendes geben muss, das nicht bloß möglich, sondern notwendig ist. Ein solches wäre nicht entstanden, sondern immerwährend. Dieses „Wesen“ nennen wir Gott… oder, wem das lieber ist, das Göttliche.

 

 

Eine kurze Reflexion des Nichts

 

1. Wenn einmal Nichts war, ist immer Nichts.

2. Wenn Nichts ist, dann ist Sein unmöglich.

3. Denn aus nichts kann niemals etwas entstehen.

4. Deshalb ist Nichts mit Sein faktisch unvereinbar.

5. Anders ausgedrückt: Das Nichts schließt Sein notwendig aus.

6. Der Zustand des Nicht ist nicht kontingent, sondern notwendig.

7. Wäre das Nichts bedingt, könnte sein Bestehen nicht ohne ein anderes ihn Bedingendes gedacht werden.

8. Dieses Andere wäre als nicht-Nichts das Sein.

9. Doch dieses Andere ist mit dem Bestehen des Nichts für immer ausgeschlossen.

10. Das Nichts macht jede Bedingung außerhalb seiner unmöglich.

11. Damit hat das Nichts die Qualität des Absoluten.

12. Der Zustand des Nichts ist, wenn er besteht, unbedingt und absolut.

13. Er ist „rein aus sich“ und vollkommen unabhängig.

14. Wenn er ist, ist er notwendig. Wenn er nicht ist, ist er notwendig nicht.

15. Wenn also nicht Nichts ist, dann ist dieses Nichts unmöglich.

16. Dann aber ist Sein notwendig.



 



 

 

 

 

Literatur

Schmidt, Josef: Philosophische Theologie, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2003.

 

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