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Autorenbildfowlersbay

Yoga - mehr als nur esoterische Gymnastik?!

Aktualisiert: 16. Nov. 2020

Yoga für ein erfülltes Liebesleben, Yoga für die Augen, Yoga für Späteinsteiger … die Liste ließe sich beliebig erweitern. Yoga wohin das Auge blickt.



Die Zahl der Yogalehrer wächst gefühlt schneller als die Zahl der Fridays for Future-Anhänger.


Ist es mit Yoga wie mit der chinesischen Harmonielehre Feng Shui ? Dieses komplexe philosophische System wurde im Westen mit einer gehörigen Prise Esoterik bis zur Unkenntlichkeit verwässert.


Immerhin - YOGA ist ein Wort, das leicht über die Lippen kommt. Fast jeder glaubt zu wissen, was damit gemeint ist: Gelenkige Frauen und eher ungelenkige Männer auf bunten Kautschuk-Matten, die ihre Muskulatur bis an die Schmerzgrenze dehnen. Philosophisch ausgedrückt:

"[...] Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache." (Ludwig Wittgenstein)

Das abendländische Verständnis des Wortes Yoga suggeriert jedoch eine Einfachheit, die es im indischen Mutterland nicht hat. Dort steht es zunächst für die Verbindung mit dem Göttlichen.


Die irdische Existenz wird von Hindus als unangenehmer Wechsel von Glück und Leid empfunden. Deshalb streben sie danach, den Kreislauf von Geburt, Tod und Wiedergeburt zu durchbrechen - das Ende aller Verstrickungen mit der Welt. Das unsterbliche Selbst (die Seele) kommt dauerhaft zur Ruhe. Dazu muss die Seele vom sterblichen Körper befreit werden. Wie gelingt das? Mit Hilfe spiritueller Weiterentwicklung und Erkenntnis. Zu dieser gelangen Hindus vor allem durch eine Kombination körperlicher und geistiger Formen des Yoga.


Dabei konzentrieren sie sich auf vier Yoga-Arten:


Karma Yoga

Der Weg des selbstlosen und selbstbeherrschten Handelns. Ohne die Erwartung, dafür Anerkennung oder materiellen Ertrag zu ernten. Darüber hinaus geht es um entschlossene Pflichterfüllung.


Bhakti Yoga

Der Weg der Gottesverehrung. Er verlangt ein Minimum an religiösen Riten. Deshalb erscheint er Hindus als der natürlichste. Als rein innerlicher Vollzug kann er ohne große Entbehrungen in den Alltag integriert werden.


Jnana Yoga

Der Weg der Erkenntnis und des Wissens. Dabei geht es nicht um die Anhäufung von theoretischem Wissen, sondern um eine spirituelle Verinnerlichung. Daraus erwächst Weisheit. Ein anspruchsvoller Weg des weltlichen Rückzugs, der die Auflösung persönlicher weltlicher Bindungen verlangt.


Raja Yoga

Der „königliche Weg“ der Geistesbeherrschung mittels Meditation.


Was ist mit Hatha Yoga?

Welchen Stellenwert hat dieses bei uns so populäre Yoga mit seinen definierten Körperübungen in Indien? Hindus sehen im Hatha Yoga eine vorbereitende Übung für die oben genannten weiterführenden Yoga-Formen. Für sie ist Hatha Yoga ein Baustein in einem komplexen System, das vor allem die geistige, spirituelle Weiterentwicklung des Individuums zum Ziel hat.


Schmälert das den Wert, den Hatha Yoga weltweit für Millionen Menschen hat? Nein, denn Hatha Yoga ist weder an religiöse Überzeugungen, noch an eine körperliche Grundfitness gebunden. Jeder kann damit von heute auf morgen anfangen - ohne seine Lebensweise verändern oder in Frage stellen zu müssen.


Aber: Es ist sinnvoll, sich bewusst zu machen, dass eine esoterische Aufladung von Hatha Yoga dem Wesenskern des Yoga-Systems nicht gerecht wird. Hatha Yoga ist für Hindus mehr als eine gesundheitsfördernde Gymnastik. Zur Vollständigkeit gehören dort geistige Übungen. Hindus versuchen mittels Yoga mit dem Göttlichen in Einklang zu kommen. Ein Vorhaben, das dem Großteil westlicher Yoga-Anhänger fremd bleibt.




Literatur

Malinar, Angelika: Hinduismus. Studium Religionen, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht (UTB), Göttingen 2009.

Schuhmacher, Stephan (Konzeption): Lexikon der östlichen Weisheitslehren, 4. Auflage, O.W. Barth Verlag, Bern 1997.

Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006.





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