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BUCHTIPP: Mini Philosophy

Welches Bild haben Sie vor Augen, wenn Sie an eine Philosophin oder einen Philosophen denken? Vielleicht einen mittelalten, vergeistigt wirkenden Menschen. An ein Kind denken Sie wahrscheinlich zuletzt.



Dabei sind es die Kinder, die staunend und unbekümmert elementare Fragen über das Lebens stellen:


  • Wo bin ich gewesen, bevor ich geboren wurde?

  • Warum sollte ich auf meine Eltern hören?

  • Wozu bin ich auf der Welt?


Auch kleine Menschen haben große Fragen (Eva Zoller Morf). Allerdings genügen ihnen die Antworten von Erwachsenen in den seltensten Fällen. Wer Kinder hat, kennt den endlosen Regress an Fragen, beginnend mit „…und dann?“ oder „Warum?“.



Fragen über Fragen


Es ist das Schicksal der Philosophie, dass sie kaum abschließende Antworten geben kann. Stattdessen produziert sie unablässig neue Fragen. Diese vermeintliche Schwachstelle animiert Erwachsene im Idealfall, Sachverhalte aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten. So kommt es, dass es die Fragen selbst sind, die Denkprozesse anstoßen und uns im Leben weiterbringen (Morf).


Bei Kindern führt der Mangel an befriedigenden Antworten dazu, dass sie mit zunehmendem Alter ihre Fragen nicht mehr mit gleicher Begeisterung und Unbeschwertheit stellen. Tatsächlich findet man, so der Kinderphilosoph Thomas Jackson, bei den über Zwölfjährigen kaum noch Spuren jener ursprünglichen Begeisterung.


„Aber verschwinden sie [die Fragen; PM] deshalb aus ihren Köpfen? Wer sich von den fragenden Kindern herausfordern lässt, merkt bald einmal, dass dies keineswegs der Fall ist.“ (Eva Zoller Morf)

Woran liegt es, dass die kindliche Lust am Fragen und beständigen Weiterfragen im Jugendalter zum Erliegen kommt? Warum beschäftigen sich so wenige Erwachsene mit Philosophie? Immerhin haben alle gesellschaftlich relevanten Themen eine philosophische Dimension. Wenn es um die Folgen von Migration, Corona-Maßnahmen oder künstlicher Intelligenz geht, stehen ethische Grundsatzfragen im Mittelpunkt. Ethikräte auf Länder- und Bundesebene zeugen von der Relevanz philosophischen Reflektierens.


Zweifellos haben viele Menschen Berührungsängste, wenn es um Philosophie geht. Sie sehen in ihr eine weltfremde Elfenbein-Disziplin.


„Die Philosophie umgibt sich manchmal mit einer Aura, die uns abschreckt. Vielleicht liegt es daran, dass Philosophinnen und Philosophen Wörter wie ‚Fehlschluss‘ verwenden, wenn sie ‚falsch‘ meinen […].“ (Jonny Thomson)

Die gut begründete Weisheit „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“ gilt auch für die Philosophie. Wer über die eigene akademische Blase hinaus Menschen – egal, ob jung oder alt – erreichen will, muss sich verständlich ausdrücken. Ganz im Sinne Ludwig Wittgensteins:


„Alles was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles was sich aussprechen lässt, lässt sich klar aussprechen.“

Dieses Zitat findet sich als Nummer 4.115 im 1921 erschienenen Tractatus logico-philosophicus. Das Problem ist also längst erkannt. Warum sprechen und schreiben Philosophen trotzdem bis heute derart verschachtelt? Möchten sie nicht gelesen und verstanden werden?


Dabei besteht durchaus Nachfrage. Richard David Precht, ob man ihn nun schätzt oder nicht, hat gezeigt, dass sich viele Menschen für die Philosophie begeistern lassen. Dafür muss sie einen kurzweiligen und barrierefreien Zugang bieten. Allgemeine Einführungen und Grundkurse in Buchform sind ein geeigneter Einstieg in diese faszinierende Welt.



Das kleine Buch der großen Ideen


Gerade mal 15 x 17 cm groß, aber 320 Seiten stark, bietet Jonny Thomsons Buch „Mini Philosophy“ einen kurzweiligen und gut verdaulichen Überblick über wichtige philosophische Disziplinen und zentrale Erkenntnisse einzelner Philosophen.


Sein Ansatz ist originell: Statt ein Thema oder eine Philosophin umfassend vorzustellen, konzentriert sich Thomson auf einen kleinen Ausschnitt. Wie mit einem Gurkenhobel schneidet er dünne Scheiben aus dem großen Ganzen, um sich dann jeweils auf einer Doppelseite knapp, informativ und unterhaltsam diesem zentralen Aspekt zu widmen.



Thomson belässt es nicht beim üblichen „Best of Philosophy“. Neben Allzeit-Stars wie Sokrates, Descartes und Kant widmet er sich gleichumfänglich Denkern, die es normalerweise nicht einmal in mehrere Bände umfassende Nachschlagewerke schaffen. Mal ehrlich, wer hat schon mal von William Kingdon Clifford, Mary Wollstonecraft, Sophie de Grouchy oder Franz Fanon gehört? Allein diese Auswahl abseits des philosophischen Mainstreams macht dieses Buch lesens- und kaufenswert.


Jonny Thomsons „Mini Philosophy“ ist geeignet, verloren geglaubtes Interesse an der Philosophie zu beleben. Mit fast kindlicher Freude kann man sein Buch an einer beliebigen Stelle aufschlagen und häppchenweise genießen. Dank der lockeren, niemals flapsigen Tonalität könnte es für viele Leser der Einstieg in weiterführende philosophische Werke sein. Ein ausführliches Quellenverzeichnis und eindeutige Zitatnachweise geben Tipps für die anschließende Lektüre und damit wertvolle Routen-Infos für eine philosophische Reise.


Übrigens: Aus verlässlicher Quelle wissen wir, dass sogar unser dünkelhafter Gastautor, der Schwarze Peter, gelegentlich in philosophischen Einführungswerken blättert. Zugeben würde er das niemals. Auch nicht, dass er von manchen Philosophen und Philosophinnen in Thomsons Buch noch nie gehört hat. Was für ihn eine Bereicherung ist, darf getrost als Empfehlung für alle Philosophie-Interessierten gelten – egal, ob groß oder klein.





Ich danke Jessica und Helge für dieses Buchgeschenk und die damit verbundene Inspiration, eine Rezension zu schreiben.




Literatur

Thomson, Jonny: Mini Philosophy. Das kleine Buch der großen Ideen, 320 Seiten, 20,00 Euro, ISBN-13: 978-3257072167, Diogenes Verlag, Zürich 2022.


Jackson, Thomas: Vorwort in: Staunen, Zweifeln, Betroffensein. Mit Kindern philosophieren, von: Daurer, Doris, Verlag Beltz Juvena, Weinheim Basel 2017.

Wittgenstein, Ludwig: Tractatus logico-philosophicus. Werkausgabe Band 1, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006.

Zoller Morf, Eva: Selber denken macht schlau. Philosophieren mit Kindern und Jugendlichen, 3. Auflage, Zytglogge Verlag, Kempten 2010.







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